Mittendrin im CHIO Aachen 2023: Sonntag, 2. Juli

Marcus Ehning

(Photo: Tiffany van Halle) (Photo: Tiffany van Halle)

MARCUS EHNING GEWINNT DEN ROLEX GRAND PRIX BEIM CHIO AACHEN

Am Sonntagmorgen war die Spannung auf dem Turniergelände der Aachener Soers fast schon greifbar. Mehr als 40.000 Zuschauer bereiteten sich voller Vorfreude auf die wichtigste Prüfung des Weltfests des Pferdesports vor, den Rolex Grand Prix. Zur gespannten Erwartung trug unter anderem der Amerikaner McLain Ward bei, der nach seinen Siegen beim CHI Genf im vergangenen Dezember und dem The Dutch Masters im März Hoffnungen machen konnte, den Rolex Grand Slam of Show Jumping zu gewinnen. Dies ist bisher erst einem Reiter gelungen. 

 

Vierzig der weltbesten Pferd- und Reiterpaare, die sich in den letzten Tagen für den Rolex Grand Prix qualifiziert hatten, sollten es mit dem von Frank Rothenberger gestalteten Parcours aufnehmen – in der Hoffnung, in den exklusiven und illustren Kreis derjenigen aufgenommen zu werden, die den Rolex Grand Prix beim CHIO Aachen schon gewonnen haben. Die Veranstaltung wird oft als das Wimbledon des Reitsports bezeichnet. 

 

Der Wettbewerb besteht aus zwei Umläufen sowie einem Stechen, falls mehrere Reiter dieselbe Anzahl an Strafpunkten haben. Hier zu bestehen, erfordert ein hohes Maß an Belastbarkeit, Sprungkraft und Talent sowie absolute Harmonie und Vertrauen zwischen Pferd und Reiter. 

 

Da nur 18 Reiter in den zweiten Umlauf kommen würden, war der Druck groß, die erste Runde fehlerfrei oder aber mit maximal vier Fehlerpunkten schnell zu absolvieren. Der erste Reiter, Olivier Perreau aus Frankreich, legte mit einem perfekten, fehlerfreien Durchgang die Latte für die restlichen Teilnehmenden hoch. Nach ihm gelang es elf weiteren Reitern, den ersten Umlauf fehlerfrei zu bestehen, darunter die Rolex-Markenbotschafter Rodrigo Pessoa, Steve Guerdat und Daniel Deusser sowie der Gewinner des letztjährigen Rolex Grand Prix, Gerrit Nieberg. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als der aktuelle Anwärter auf den Gewinn des Rolex Grand Slam of Show Jumping, McLain Ward, auf seiner treuen Partnerin HH Azur in die Arena ritt. Das Publikum wurde jedoch enttäuscht, da der Amerikaner bereits früh nach zwei Abwürfen aufgab und somit die Hoffnung auf einen neuen Rolex Grand Slam-Gewinner zunichtemachte. 

 

Im zweiten Umlauf starteten die Reiter gemäß den Ergebnissen des ersten in umgekehrter Reihenfolge. Eugenio Garza Perez aus Mexiko gelang es auf seinem edlen Schimmel Contago als Erstem, auch hier fehlerfrei durchzukommen. Der achtmalige Major-Gewinner Rodrigo Pessoa zeigte kurz darauf seine Klasse und sorgte dafür, dass es zu einem Stechen kommen würde. Drei weitere Pferd- und Reiterpaare, alle unter deutscher Flagge, gelangten ebenfalls ins Stechen um einen der prestigeträchtigsten Titel im Springreiten. Für Nicola Philippaerts aus Belgien, der nur einen einzigen Zeitfehler hatte, reichte es leider nicht.

 

Insgesamt traten fünf Paare zum Stechen an, darunter vier ehemalige Gewinner des Rolex Grand Prix von Aachen. Unter ohrenbetäubendem Applaus des heimischen Publikums stellte Philipp Weishaupt, der als Dritter ins Stechen ging, sicher, dass es einen deutschen Gewinner geben würde. Er war bis dahin der schnellste der drei Reiter, die mit vier Fehlerpunkten ins Ziel gekommen waren. Daniel Deusser, der Gewinner von 2021, wusste als vorletzter Reiter, was nötig ist, um zu gewinnen, und bewältigte als Erster das technisch anspruchsvolle Stechen fehlerfrei. Nur sein Landsmann und Teamkollege Marcus Ehning konnte ihm den Sieg jetzt noch streitig machen. Der Sieger von 2018 tat genau das und kam nach einer gewohnt flüssigen und effizienten Runde 0,61 Sekunden schneller ins Ziel. Der 49-Jährige ist damit vor dem CSIO Spruce Meadows ‘Masters’ im September der neue Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping.

 

Über seinen Sieg sagte der glückliche Ehning: „Es ist einfach großartig. Mein Pferd ist ein Superstar und ich glaube wirklich an ihn. Ich war der letzte Starter im Stechen und er war unglaublich. Ich konnte die Pferde vor mir nicht genau sehen, aber ich weiß, dass er sehr schnell ist. Ich wollte nicht zu viele Risiken eingehen und am Ende hat es wunderbar funktioniert!“

 

Weiter sagte der deutsche Team-Olympiasieger von 2000: „Das Publikum hat mich toll unterstützt; ich konnte die Energie förmlich spüren und wollte etwas zurückgeben. Ich war mir sicher, dass es mein Pferd schaffen würde, wenn ich nur gut reite. Im zweiten Umlauf war etwas Glück dabei, aber ohne Glück kann man nicht gewinnen. Heute war einfach unser Tag.“ 

 

Zu seiner Position als neuer Anwärter auf den Rolex Grand Slam meinte er: „Zunächst einmal werde ich diesen Moment genießen. In ein paar Tagen werde ich mir dann Gedanken über Spruce Meadows machen. Stargold ist fantastisch. Nicht viele haben an ihn geglaubt, aber letztes Jahr bei der FEI-Weltmeisterschaft hat er gezeigt, was in ihm steckt. Er ist ein sehr intelligentes Pferd. Ich bin so stolz auf ihn und seinen Besitzern sehr dankbar.“

Laura Kraut

Rolex Grand Slam / Ashley Neuhof Rolex Grand Slam / Ashley Neuhof

INTERVIEW MIT LAURA KRAUT

Was macht den CHIO Aachen zu so einem besonderen Turnier? 

 

Der CHIO Aachen ist quasi das Wimbledon des Springreitens. Für jeden, der diesen Sport betreibt, ist ein Sieg bei dieser Veranstaltung die Erfüllung eines Traums. Das Publikum und das schöne Turniergelände – all das macht den CHIO Aachen zu etwas ganz Besonderem. 

 

Können Sie uns etwas über die Pferde sagen, mit denen Sie diese Woche starten, und deren Charakter? 

 

Ich habe diese Woche Baloutinue mitgebracht, er ist bereits im Mercedes-Benz Nationenpreis gesprungen. Ein weiteres Pferd, Dorado 212, setze ich zum ersten Mal auf diesem hohen Niveau ein. Er hat am Mittwoch am Turkish Airlines-Preis von Europa und am Freitag am RWE-Preis von Nordrhein-Westfalen teilgenommen. Außerdem habe ich noch die siebenjährige Una Mariposa und ein Pferd namens Haley dabei, das am Mittwoch in seinerersten Speed-Prüfung den zweiten Platz gemacht hat. 

 

Welche Eigenschaften brauchen Ihrer Meinung nach Pferd und Reiter, um ein Major zu gewinnen? 

 

Um ein Major wie Aachen zu gewinnen, braucht man auf alle Fälle ein absolut fantastisches Pferd. Es muss vorsichtig, mutig, , reitbar und schnell für das Stechen sein. Nur das beste Pferd gewinnt dieses Turnier. Ich würde sagen, 95 Prozent der Teilnehmer sind in der Lage, den Rolex Grand Prix zu gewinnen. Die Reiter sind bereit, Höchstleistungen zu bringen, und wenn die Pferde ebenfalls bereit sind, wird es ein großartiger Wettkampf werden. 

 

Sie und Ihr Partner, Nick Skelton, haben eine lange Beziehung zum Rolex Grand Prix hier beim CHIO Aachen. Könnten Sie diese bitte beschreiben? 

 

Ich bin sehr konzentriert und würde diese Prüfungsehr gern eines Tages gewinnen. Ich habe mich sehr von meinem Partner Nick Skelton inspirieren lassen, der hier schon vier Mal gewonnen hat, unter anderem beim allerersten Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping im Jahr 2013. Vor zwei Jahren bin ich hier mit Baloutinue gesprungen. Er absolvierte die ersten beiden Runden des Rolex Grand Prix ohne Fehler, hatte dann aber im Stechen einen Abwurf. Ich würde es gern noch einmal probieren, um zu sehen, ob ich gewinnen kann. 

 

Was unterscheidet die Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping von anderen Turnieren?

 

Ich finde, es sind einfach einzigartige, fantastische Reitturniere. Diese Wettkämpfe sind einige der wenigen, bei denen es noch wirklich um den Sport geht und nicht so sehr um das Drumherum oder darum, wie viel Geld damit verdient werden kann. Im Mittelpunkt steht wirklich das Springreiten. Es wird sichergestellt, dass die besten Reiter der Welt daran teilnehmen. Meiner Meinung nach trifft sich hier die Elite unseres Sports. 

 

Springreiten ist eine der wenigen Sportarten weltweit, bei denen Männer und Frauen auf demselben Niveau gegeneinander antreten. Wie besonders ist das für Sie? 

 

Diese Frage wird mir andauernd gestellt. Ich selbst denke darüber gar nicht nach, da ich mit dem Reiten und Wettbewerben gegen Jungen und später gegen Männer aufgewachsen bin. Aber ich weiß, dass es für den Rest der Welt etwas ganz Besonderes ist, und ich denke, wir Sportlerinnen und Sportler haben Glück, denn Männer haben ihre ganz eigenen Qualitäten und Stärken und Frauen ebenfalls. Das gleicht sich alles irgendwie aus. 

 

Welchen Beitrag hat der Rolex Grand Slam of Show Jumping Ihrer Meinung nach für den Sport geleistet? Wie hat er ihn verändert? 

 

Ich denke, diese Initiative hat uns allen etwas gegeben, wonach wir streben können und was wir erreichen möchten. Vor Jahren gab es den Pulsar Triple Crown, einen sehr wichtigen und spannenden Wettbewerb. Der Rolex Grand Slam ist dessen Neuauflage im 21. Jahrhundert, aber noch besser! Ich denke, angesichts des hohen Preisgeldes, das man beim Rolex Grand Slam gewinnen kann ist das für alle Reiter sehr attraktiv. 

 

Können Sie uns sagen, wie wichtig das Team hinter den Kulissen für Ihren Erfolg ist? 

 

Ohne dieses Team hätten wir keinen Erfolg. Von den Pflegern, die sich um die Pferde kümmern, als wären sie ihre Kinder, über die Hufschmiede, die Tierärzte, die Physiotherapeuten und die Leute, die uns bei der ganzen Logistik helfen – an dem, was wir tun, hängt so viel dran. Das Team macht es den Reitern einfach, aufs Pferd zu steigen und hoffentlich das zu tun, was wir am besten können: Leistung abliefern. Ohne das Team hinter den Kulissen wären wir nicht da, wo wir sind.

Frank Rothenberger

Rolex Grand Slam / Ashley Neuhof Rolex Grand Slam / Ashley Neuhof

INTERVIEW MIT FRANCK ROTHENBERGER

Was macht den CHIO Aachen für Sie zu so einem besonderen Turnier?

 

Der CHIO Aachen ist das größte und wichtigste Turnier des Jahres. Ich wurde vor 20 Jahren eingeladen, den Parcours zu gestalten, und ich freue mich wie immer auf eine der prestigeträchtigste Prüfungen hier, den Rolex Grand Prix. Letztes Jahr war er einfach großartig und das Stechen war unglaublich schnell. Ich kann es kaum erwarten.

 

Wie besonders ist es für Sie, der Designer des Parcours bei Ihrem Heimatturnier, dem CHIO Aachen, zu sein?

 

Es ist etwas ganz Besonderes. Wir bereiten sämtliche Springen Monate im Voraus vor, da die Gestaltung der Parcours in dieser großen Arena viel Zeit und Planung erfordert. In den letzten Tagen haben wir eine Reihe anspruchsvoller und spannender Prüfungen mit schnellen Stechen gesehen. Der CHIO Aachen bietet hervorragende Bedingungen: Von den Ställen über die Anlage bis zu den Parcours und der gesamten Organisation ist einfach alles perfekt. Aus diesem Grund kommen die Spitzenreiter immer hierher.

 

Können Sie uns ein wenig über den Parcours für den Rolex Grand Prix am Sonntag erzählen?

 

Aber klar. Der Rolex Grand Prix besteht aus zwei Umläufen und einem Stechen. Es gibt auf alle Fälle einen Wassergraben und in der Regel mehrere Zwei- und Dreifache-Kombinationen. Die Gestaltung des Parcours ist manchmal schwierig, weil die Arena so groß ist. Wir müssen darauf achten, einige technische Kombinationen und Linienführungen zu bieten und nicht nur bestimmte Distanzen. Ich denke, die besten Parcours sind eine Mischung aus verschiedenen modernen Elementen.

 

Wie sind Sie zum Parcoursdesign gekommen?

 

Ganz einfach. Vor 40 Jahren, als junger Reiter, hatte ich zu Hause keine Hindernisse zum Üben. Also habe ich mir selbst welche gebaut. Kurze Zeit später kamen andere Reiter, um bei mir zu trainieren, weil ich verschiedene Arten von Hindernissen hatte, zum Beispiel Wassergräben, Bänke und Hecken. Ich begann, Parcours für sie zu gestalten, und sie kamen regelmäßig, um bei mir zu trainieren. Als ich 22 Jahre alt war, hörte ich mit dem Reiten auf und gründete ein Unternehmen, das Hindernisse herstellt. So kam ich schließlich zum Parcoursdesign.

 

Welcher war der erste Parcours, den Sie entworfen haben, und wo war Ihr erstes Turnier?

 

Mit 21 Jahren habe ich meinen ersten Parcours für ein Turnier gestaltet. Das ist jetzt 44 Jahre her. Mittlerweile lasse ich es etwas ruhiger angehen. Ich möchte nicht mehr jedes Wochenende bei Turnieren im Einsatz sein, daher gestalte ich bei etwa 12 bis 14 Turnieren pro Jahr den Parcours und suche mir dafür qualitativ hochwertige Veranstaltungen wie den CHIO Aachen aus.

Haben Sie noch andere Leidenschaften abseits der Parcoursgestaltung?

 

Natürlich! Zum einen meine Familie und dann noch das Segeln. Ich bin Skipper und war erst letzte Woche mit einem gemieteten Katamaran in Italien unterwegs. Im September und November geht es wieder los. Außerdem fahre ich schon mein ganzes Leben lang begeistert Ski.

 

Wenn Sie eine Prognose wagen: Wer, glauben Sie, gewinnt den Rolex Grand Prix am Sonntag?

 

Das ist sehr schwierig. Das Niveau ist derzeit so hoch und die Unterschiede zwischen den Spitzenreitern sind marginal. Da ist es einfach nicht möglich, einen Gewinner vorherzusagen.

 

Das erste Major des Rolex Grand Slam fand vor zehn Jahren hier beim CHIO Aachen statt. Was hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten zehn Jahren verändert? Welche Auswirkungen hatte diese Initiative?

 

Der Sport wird immer bekannter. Viele Menschen reden jetzt über den Rolex Grand Slam, der vier der besten Springreitturniere der Welt umfasst: Calgary, ‘s-Hertogenbosch, Genf und Aachen. Ich glaube, es wird diese Woche in Aachen äußerst interessant, denn McLain Ward kommt, der zwei Rolex Grand Prix-Turniere nacheinander – Genf und The Dutch Masters – gewonnen hat. Er hofft sicher, am Sonntag den Rolex Grand Prix und damit die prestigeträchtigste Trophäe im Springreiten, den Rolex Grand Slam, zu gewinnen.

 

Gibt es einen Moment in den letzten zehn Jahren beim Rolex Grand Slam, der Ihnen besonders gut in Erinnerung ist?

 

Ich sehe mir alle Rolex Grand Prix-Turniere an, einschließlich der anderen drei Rolex Grand Slam-Wettkämpfe. Das letzte Major war in ‘s-Hertogenbosch und es war sehr spannend. Es gab viele fehlerfreie Runden, wodurch das Stechen einfach fantastisch war. Für mich ist es eine große Ehre, einer der Parcoursdesigner für den Rolex Grand Prix bei einem der weltweit besten Springreiten zu sein.