Photo credits : Rolex Grand Slam / Ashley Neuhof
Im Flutlicht des legendären Hauptstadions, in dem die Springprüfungen des CHIO Aachen stattfindet, betraten 45 Pferd- und Reiterpaare aus der Weltelite des Springreitens die Arena in der Hoffnung, die Spitzenprüfung am Mittwoch zu gewinnen, den Turkish Airlines-Preis von Europa. Diese Prüfung war gleichzeitig die erste Chance für die Reiter, sich einen Platz im legendären Rolex Grand Prix am Sonntag zu sichern.
Wie beim Weltfest des Pferdesports so häufig, war das Starterfeld das reinste Staraufgebot mit dem amtierenden Olympiasieger Ben Maher und Europameister Steve Guerdat sowie dem derzeitigen Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping, Willem Greve auf seinem 12-jährigen Hengst Highway T.N. N.O.P, mit dem er Anfang des Jahres den Rolex Grand Prix beim The Dutch Masters gewonnen hatte.
Die erste fehlerfreie Runde in dem anspruchsvollen Parcours von Frank Rothenberger, der aus 14 Hindernissen bestand, gelang dem deutschen Reiter René Dittmer, der jedoch leider zwei Zeitstrafpunkte hinnehmen musste.
Als fünfter Starter galoppierte der formstarke Christian Kukuk auf Just Be Gentle in die historische Arena ein und absolvierte sehr zur Begeisterung seines Heimpublikums die erste fehlerfreie Runde innerhalb der Zeit. Der Ire Cian O’Connor zog nur zwei Pferde später nach und stellte damit sicher, dass dem leidenschaftlichen Publikum des CHIO Aachen ein Stechen geboten werden würde. Es folgten weitere fehlerfreie Durchgänge und noch sechs deutsche Pferd-Reiter-Paare schafften es in die zweite Runde, darunter der Sieger des Rolex Grand Prix beim CHI Genf 2023, Richard Vogel. Der letztjährige Gewinner dieser Prüfung, Yuri Masur, schien entschlossen, sich einen Folgesieg zu holen, als er mit QH Alfons Santo Antonio eine fehlerfreie Runde absolvierte, ebenso wie der Gewinner von 2022, der US-Amerikaner McLain Ward.
Von den 45 Reitern schafften es 12 ins Stechen, das dank der zahlreichen schnellen Reiter sehr spannend zu werden versprach. In umgekehrter Reihenfolge kehrten die Reiter in die Arena zurück, sodass der Belgier Thibeau Spits es als Erster mit dem verkürzten Parcours aufnahm. Für den jungen belgischen Reiter verlief die Runde nicht ganz so wie gewünscht, da er zwei Abwürfe hinnehmen musste. Als zweiter Starter im Stechen gab Christian Kukuk mit einem fehlerfreien Durchlauf und einer Zeit von 48,48 Sekunden die Richtzeit für die noch übrigen Reiter vor, die jedoch rasch von seinem Landsmann Patrick Stühlmeyer unterboten wurde.
Der Amerikaner McLain Ward sorgte für Hochspannung beim Publikum, als er mit seiner 16-jährigen Stute Callas förmlich über den Parcours flog und mit mehr als zwei Sekunden Vorsprung die Führung übernahm – eine Zeit, die kaum noch zu unterbieten zu sein schien. Dem nächsten Starter, dem dreimaligen Major-Gewinner im Rolex Grand Slam of Show Jumping, Guerdat, gelang jedoch genau das, allerdings war die Enttäuschung groß, als das vorletzte Hindernis fiel.
Der Jubel des deutschen Publikums war groß, als Richard Vogel mit Cepano Baloubet in 42,44 Sekunden über den Parcours flog und sich damit vorläufig den ersten Platz sicherte. Keins der drei noch übrigen Pferd-Reiter-Paare konnte es jedoch mit seinem Tempo und seiner Präzision aufnehmen, sodass Vogel schließlich zum erstem Mal den Turkish Airlines-Preis von Europa gewinnen und seinen zweiten Sieg des Tages verbuchen konnte. Seinen Sieg kommentierte der deutsche Reiter wie folgt: „Mein Pferd [Cepano Baloubet] ist heute Abend überragend gesprungen und ist einfach großartig in Form. Er hat heute wirklich für mich gekämpft. Die Atmosphäre war unglaublich. Das Flutlicht und all die Zuschauer – das Gefühl, hier zu springen, ist einfach mit nichts vergleichbar. Das war wirklich ein Traumstart in die Woche!“
Was macht den CHIO Aachen für Sie zu so einem besonderen Wettbewerb?
Der CHIO Aachen ist die größte Pferdeveranstaltung der Welt und der dortige Rolex Grand Prix ist einer der härtesten Grands Prix im Springreiten überhaupt. Ich stehe immer sehr unter Druck, wenn ich die Parcours für den CHIO Aachen entwerfe, denn sie müssen sehr exakt und präzise gestaltet werden, um die richtigen Ergebnisse zu erzielen.
Dieses Jahr sind wieder einmal die besten Pferd-und-Reiter-Paare hier. Einige der Pferde haben sich bereits im Vorfeld für den Rolex Grand Prix qualifiziert und starten nur in dieser Prüfung am Sonntag. Manche der bereits qualifizierten Pferde springen vorher noch eine Prüfung und viele andere müssen sich erst noch qualifizieren, indem sie im Mercedes-Benz Nationenpreis oder dem Turkish Airlines-Preis von Europa antreten.
Mein Parcoursdesigner-Team und ich planen den Parcours für den Rolex Grand Prix immer Wochen im Voraus und beobachten die vorangehenden Prüfungen sehr genau, um Anhaltspunkte über die Leistungen der Pferde zu bekommen und entscheiden zu können, ob wir den Parcours noch ein bisschen verändern müssen. Ich glaube, dieses Jahr sind alle Reiter wirklich gut vorbereitet und können die während der Woche stattfindenden Prüfungen nutzen, um ihren Pferden etwas mehr Selbstvertrauen für den Rolex Grand Prix am Sonntag zu verschaffen.
Können Sie uns ein wenig über den Parcours für den Rolex Grand Prix am Sonntag erzählen?
Es ist ein 1,60-m-Parcours, also mit Maximalhöhe, und es gibt 1,80 m breite Oxer. Es wird einen Doppelgraben am Wasser geben, das ist Tradition beim Rolex Grand Prix hier beim CHIO Aachen, und auch einen Wassergraben. Insgesamt treten 40 Pferde in der ersten Runde an, 18 in der zweiten und hoffentlich schaffen es fünf oder sechs ins Stechen.
Was sind die Hauptaspekte, die Sie beim Design eines Parcours berücksichtigen müssen, und was hoffen Sie zu erreichen?
Zuallererst die Sicherheit. Wir müssen sicherstellen, dass den Pferden nichts geschieht. Es ist ein sehr anspruchsvolles Springen und wir müssen sehr genau darauf achten, welche Distanzen wir zwischen den Hindernissen festlegen und welches Material wir für die Hindernisse wählen. Viele Hindernisse sind unifarben, beispielsweise einfach nur weiß oder rustikal, und wir haben nicht so viele Stangen mit kontrastierenden Farben. Der Rolex Grand Prix beim CHIO Aachen ist immer etwas größer als die anderen Grands Prix der Welt. Es ist eine große Arena und ich glaube, die Reiter springen gern hier.
Wenn Sie beim Rolex Grand Prix am Sonntag selbst reiten dürften, welches Pferd würden Sie sich aussuchen?
Früher gab es immer vielleicht 10 oder 12 potenzielle Gewinner unter den 40 Reitern des Rolex Grand Prix. Heutzutage finde ich, dass 25 oder 30 oder sogar 40 Reiter den Rolex Grand Prix gewinnen
könnten. Das macht es schwierig, mich für ein bestimmtes Pferd zu entscheiden. Es sind so viele Spitzenpferde dabei.
Wie wichtig ist Ihr Team für die erfolgreiche Gestaltung eines Parcours?
Ich habe drei Parcoursdesigner-Assistenten, die mit mir zusammenarbeiten, ein Teammitglied, das die Parcourszeichnungen anfertigt, und drei Personen, die die Lagerung der Hindernisse organisieren. Wir sind eine große Gruppe – insgesamt haben wir 50 Leute im Team. Das ist gut so, denn wir müssen die Parcours für den nächsten Tag über Nacht bei Flutlicht aufbauen.
Auf welchen Parcours sind Sie besonders stolz?
Einer der Parcours, auf die ich am stolzesten bin, ist der, den ich für die FEI-Weltmeisterschaft 2006 entworfen habe. In diesem Parcours ist von jedem Hindernis mindestens einmal eine Stange gefallen, deshalb finde ich, dass er einer meiner besten Designs war. Der Parcours, den ich Anfang des Jahres für das Finale des FEI World Cup™ in Riad entworfen habe, war auch ziemlich gut.
Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der eine Karriere als Parcoursdesigner anstrebt?
Es hilft, wenn man früher selbst geritten ist, weil man dann ein Gefühl für die Linien und für die richtige Positionierung der Hindernisse hat. Ich glaube, angehende Parcoursdesigner sollten bei lokalen Turnieren beginnen und sich einen oder zwei Parcoursdesigner suchen, denen sie assistieren können. Um es im Parcoursdesign bis an die Spitze zu schaffen, braucht man 15 bis 20 Jahre. Man sollte also in seinen Zwanzigern anfangen, wenn man eines Tages die Parcours für 5-Sterne-Prüfungen entwerfen will. Wie meine Tochter. Sie assistiert mir, aber auch vielen anderen Parcoursdesignern, um von verschiedenen Erfahrungsschätzen zu lernen.
Der Rolex Grand Slam of Show Jumping ist das Nonplusultra des Sports, aber gibt es auch andere Sportarten, für die Sie brennen? Lassen Sie sich von diesen Sportarten inspirieren?
Ich segle gern, das ist also etwas ganz anderes als Reiten! Ich segle in der ganzen Welt – auf dem Mittelmeer, auf den Seychellen, in Thailand, einfach überall! Mit dem Reiten habe ich aufgehört, als ich 21 war, und mit 22 habe ich als Parcoursdesigner mein Unternehmen gegründet. Und diesen Beruf übe ich noch immer aus.
Der Rolex Grand Slam of Show Jumping wurde 2013 ins Leben gerufen und das erste Major fand hier beim CHIO Aachen statt. Welchen Einfluss hatte das Konzept Ihrer Meinung nach auf den Sport?
Jeder Reiter strebt danach, den Rolex Grand Slam of Show Jumping zu gewinnen. Ich weiß noch, als Scott Brash 2015 drei Majors hintereinander gewonnen hat. Er gewann den Rolex Grand Prix beim CHI Genf im Dezember 2014, dann hatte er das gleiche Glück erneut beim CHIO Aachen und noch mal beim CSIO Spruce Meadows ‘Masters‘ Turnier in Calgary. Scott hat mit seinem Sieg beim Rolex Grand Slam of Show Jumping sehr viel Geld gewonnen und alle Reiter streben noch immer danach, es ihm gleichzutun.
Photo credits : Dirk Caremans / Hippofoto
Sie haben bisher eine großartige Karriere hingelegt – was war Ihr stolzester Moment?
Der bisher stolzeste Moment meiner Karriere war der Gewinn der Team-Goldmedaille bei meinem letzten Championat als Nachwuchsreiter 2021, der FEI-Europameisterschaft der Jungen Reiter und Junioren in Vilamoura. Das war einer der schönsten Augenblicke, die ich je erleben durfte. Ich glaube, jeder Reiter hat das Ziel, an einem Championat teilzunehmen und eine Goldmedaille zu gewinnen.
Sie stammen aus einer Springreiterdynastie. Welche Ratschläge bekommen Sie von Ihrem Vater und Ihren Brüdern?
Es ist nicht immer einfach, meinem Vater und meinen Brüdern zu folgen, aber der beste Rat, den sie mir gegeben haben, ist, dass ich herausfinden muss, was das Beste für mich ist, und meinen eigenen Weg gehen soll. Es hilft zu sehen, was mein Vater und meine Brüder erreicht haben, und zu wissen, dass ich sie fragen kann, wenn ich mal Rat brauche.
Spüren Sie einen gewissen Druck, in die Fußstapfen Ihres Vaters und Ihrer Brüder zu treten und ebenso erfolgreich zu werden wie sie?
Der Druck ist auf jeden Fall da! Mein Vater hat in seiner Karriere so vieles erreicht und jetzt sind meine Brüder sehr erfolgreich. Sie setzen mich aber nicht unter Druck, das tue ich selbst. Ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken und mich auf meinen eigenen Weg zu konzentrieren.
Wer sind außer Ihrer Familie noch Ihre Vorbilder?
Neben meinem Vater, würde ich sagen, Ludger Beerbaum. Er hat sich so lange in der Weltspitze gehalten. Unter den derzeitigen Reitern bewundere ich Henrik von Eckermann – der bei Ludger trainiert hat – und Jeroen Dubbledam. Beide haben schon zahlreiche Championate und Prüfungen gewonnen und gehören für mich zurzeit zu den größten Vorbildern in unserem Sport.
Was motiviert Sie und macht Sie so erfolgshungrig?
Dieses Jahr ist mein letztes Jahr als junger Reiter und ich hatte nicht wirklich die richtigen Pferde für einen Sieg. Aber ich glaube, das macht mich noch erfolgshungriger. Ich habe ein paar vielversprechende Pferde für die Zukunft, wenn ich zu den erfahrenen Reitern wechsle. Ich werde mein Bestes geben, um mich an die Spitze zu kämpfen, und kann hoffentlich eines Tages beim Rolex Grand Prix auf dem CHIO Aachen antreten.
Können Sie uns ein wenig über die Pferde erzählen, die Sie derzeit haben?
Ich habe ein paar gute Achtjährige. Einen davon reite ich diese Woche, Gabell D’arvor. Er muss noch viel lernen, hat aber großes Potenzial. Insgesamt habe ich zurzeit vier achtjährige und ein siebenjähriges Pferd. Sie sind alle sehr vielversprechend, aber mir ist bewusst, dass ich Geduld haben muss und ihre Fortschritte nicht erzwingen kann.
Der CHIO Aachen ist das zweite Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping 2024. Können Sie uns erklären, warum diese Veranstaltung so besonders ist?
Ich bin letztes Jahr zum ersten Mal beim CHIO Aachen geritten, in den U25-Prüfungen. Und das Erste, was ich im Anschluss gesagt habe, war, dass ich dieses Jahr wieder dort reiten will. In der Aachener Arena zu reiten, ist ein spektakuläres Gefühl. Es ist die schönste Arena der Welt. Ich fahre schon lange jedes Jahr dorthin, um meine Brüder und meinen Vater in den großen Prüfungen springen zu sehen, darum ist es ein wahr gewordener Traum, dieses Jahr selbst dort reiten zu dürfen.
Welche Bedeutung hat der Rolex Grand Slam of Show Jumping für Sie als jungen Reiter?
Für mich bietet er das höchste Niveau des Sports – und das auf den schönsten Veranstaltungen der Welt. Die Atmosphäre bei den Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping ist phänomenal. Diese Turniere locken die besten Pferd-und-Reiter-Paare der Welt an. Es ist mein größter Traum, an den Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping teilzunehmen.
Für welche Sportarten außer dem Springreiten interessieren Sie sich?
Ich sehe sehr gern Fußball und verfolge auch die Formel 1 ein bisschen. Manchmal spiele ich Padel-Tennis mit Freunden und als ich noch jünger war, habe ich viel Fußball gespielt. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, und ich habe mich fürs Reiten entschieden.
Sind Sie vor einem Wettkampf manchmal abergläubisch?
Ich bin nicht wirklich abergläubisch. Ich versuche aber, die gleiche Routine wie immer beizubehalten, damit meine eigene Vorbereitung und die meiner Pferde gleichbleibt.
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