Mittendrin im Rolex Grand Slam: Dienstag, 20. Februar

ROLEX GRAND SLAM OF SHOW JUMPING 2024 – VORSCHAU AUF DIE SAISON

(Photo: Rolex Grand Slam / Thomas Lovelock) (Photo: Rolex Grand Slam / Thomas Lovelock)

Der Rolex Grand Slam of Show Jumping, oft als ultimative Herausforderung des Pferdesports bezeichnet, wird auch in diesem Jahr erneut das Hauptaugenmerk eines jeden Springreiters sein. Wie auch bei den Majors in Sportarten wie Tennis und Golf, gelten die Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping als prestigeträchtigste Prüfungen der Welt, die Pferd und Reiter ein Höchstmaß an Geschick abverlangen. Nicht umsonst zieht der Rolex Grand Slam of Show Jumping immer wieder die weltbesten Pferd- und Reiterpaare an und sorgt so für einen Wettbewerb auf absolutem Spitzenniveau.

 

Das erste Major des Jahres, das viertägige The Dutch Masters, findet vom 7. bis zum 10. März statt. Die Veranstaltung, die erstmals 1967 ausgetragen wurde, wird das letzte Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping im Rahmen der Feierlichkeiten zum 10-jährigen Jubiläum der Initiative sein, die beim CHIO Aachen 2023 begonnen haben. Nach seinem Sieg beim CHI Genf im Dezember wird der junge deutsche Reiter Richard Vogel als Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping sein Debüt in der Hauptarena der atemberaubenden Brabanthallen geben – in der Hoffnung, seine Jagd auf den Titel fortzusetzen und zum zweiten Reiter in der Geschichte zu werden, der jemals den Rolex Grand Slam of Show Jumping gewonnen hat.

 

Der CHIO Aachen wird oft mit dem Tennisturnier in Wimbledon verglichen und bietet die perfekte Bühne für die anspruchvollsten Prüfungen dieses Sports. Die Veranstaltung, die auch Weltfest des Pferdesports genannt wird, richtet fünf internationale Reitsportdisziplinen aus und der Höhepunkt der ereignisreichen 10 Tage wird der Rolex Grand Prix am Sonntag, dem 7. Juli, sein. Auf dem heiligen Rasen der Aachener Soers und vor den Augen von 40.000 leidenschaftlichen Reitsportfans auf den Tribünen werden 40 der weltbesten Pferd- und Reiterpaare in zwei Umläufen und einem Stechen darum kämpfen, ihren Namen auf der legendären Siegertafel zu verewigen.

 

Anschließend zieht der Rolex Grand Slam of Show Jumping weiter über den Atlantik zu dem oftmals als führendem Veranstaltungsort Nordamerikas bezeichneten Spruce Meadows. Das CSIO Spruce Meadows `Masters‘-Turnier (4. bis 8. September) richtet einen der größten Grand Prix der Welt aus, den CPKC ‚International‘ Grand Prix, presented by Rolex, für den der Parcoursdesigner Leopoldo Palacios wie immer den ultimativen Test für Mut, Präzision und Sprungkraft entwerfen wird. Letztes Jahr holte sich Rolex-Markenbotschafter Martin Fuchs aus der Schweiz mit seinem talentierten Leone Jei hier einen spektakulären Sieg.

 

Der CHI Genf bildet schließlich den Abschluss des Kalenderjahrs des Rolex Grand Slam of Show Jumping. Vom 11. bis zum 15. Dezember wird sich ein herausragendes Aufgebot von Weltklasse-Reitern im wunderschönen Genf versammeln. Die Veranstaltung findet im imposanten Palexpo statt und gilt weithin als bestes Hallenarena-Turnier des Springreitsports. Im Rahmen eines randvollen Sportprogramms bildet der Rolex Grand Prix den perfekten Abschluss für ein weiteres sensationelles Jahr des Rolex Grand Slam of Show Jumping. 

INTERVIEW MIT JOSIE ELIASSON

Jessica Springsteen & Josie Eliasson Jessica Springsteen & Josie Eliasson

Könnten Sie sich kurz vorstellen und uns Ihre Arbeit erläutern?

Ich heiße Josefine und arbeite seit acht Jahren für Jessica Springsteen. Anfangs habe ich auf ihrem Hof zu Hause gearbeitet und bin auch ein bisschen geritten, aber in den letzten sechs Jahren bin ich als Turnierpflegerin mit ihr und ihren Pferden um die Welt gereist. 

 

Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Ich habe mit dem Reiten angefangen als ich etwa fünf oder sechs war und mich sofort in die Pferde verliebt. Als ich dann etwas älter war, hatte ich ein tolles Nachwuchspferd, mit dem ich in Schweden Turniere geritten bin. Die Besitzerin des Stalles, in dem mein Pferd stand, ist regelmäßig bei den National Young Horse Championships, den Landesmeisterschaften für Nachwuchspferde, angetreten und ich bin immer mit ihr gefahren, um die Pferde zu versorgen. Mir ist schnell klar geworden, dass mir diese Arbeit Spaß macht und sie hat mich auch immer sehr unterstützt. Sie hat immer gesagt, dass ich sehr gut darin wäre und ich konnte mir all‘ die wichtigen kleinen Details merken. 

 

Dann habe ich mal eine Freundin von mir besucht, die zu der Zeit in der Schweiz mit Pferden gearbeitet hat. Schon nach knapp zwei Tagen wusste ich, dass das auch genau die richtige Arbeit für mich war. Also habe ich sie gefragt, ob sie jemanden kennen würde, der Hilfe in seinem Stall brauchte. So habe ich eine Stelle bei Romain Duguet bekommen. Ich hatte zwar noch mein eigenes Pferd, aber das habe ich verleasen können. Dann habe ich meine Sachen gepackt und bin auf Dauer in die Schweiz gezogen. Diese Stelle hatte ich etwa ein Jahr lang, bevor ich wieder zurück nach Schweden gezogen bin. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall Turnierpflegerin werden wollte, und zwar in Europa, aber ohne Führerschein für Pferdetransporter war ich etwas eingeschränkt. Aber noch bevor ich meine erste LKW-Fahrstunde absolvieren konnte, bekam ich einen Job bei Jessica. Das ist jetzt schon über acht Jahre her. 

 

Wenn Sie noch einmal zu den Anfängen Ihrer Karriere zurückkehren könnten, welchen Rat würden Sie sich selbst geben?

Ich würde mir raten, auf diejenigen zu hören, die mehr Erfahrung haben. Was ich an diesem Beruf so liebe ist, dass man ständig Neues lernt. Und zwar aus zwei Gründen: weil sich der Sport ständig weiterentwickelt und weil jeder einzelne Reiter seine ganz eigenen Systeme und Techniken hat. Auch wenn ich finde, würde ich sagen, dass ich mehr Fragen stellen sollte – denn so lernt man dazu. 

 

Sie müssen für Wettkämpfe oft lange Flüge über den Atlantik machen. Wie stellen Sie sicher, dass die Pferde nach der Reise noch fit für ein Turnier sind? Haben Sie einen besonderen Rat für ihr Wohlergehen?

Das A und O ist, sein Pferd zu kennen und zu verstehen. So fallen einem schnell erste kleine Anzeichen auf, dass vielleicht etwas nicht stimmt. Je früher man ein Problem bemerkt, desto besser kann man dem Pferd helfen und ihm geben, was es braucht. Bei den Meisterschaftspferden ist das oft einfacher, weil man so viel Zeit mit ihnen verbringt und ihre Gewohnheiten so gut kennt. So bemerkt man selbst kleinste Veränderungen in ihrem Verhalten und kann etwas dagegen tun, bevor sie zu einem Problem werden. 

 

Haben Sie irgendeinen Aberglauben oder eine bestimmte Routine, die sie bei einem wichtigen Wettkampf befolgen?

Ich glaube, jeder hat so seine kleinen Rituale, wenn es um die wichtigen Prüfungen geht. Ich sage meiner Reiterin immer, dass sie Spaß haben soll und gebe dem Pferd einen liebevollen Klaps. Natürlich mache ich das bei den höheren Prüfungen ganz leise, um meine Reiterin nicht in ihrer Konzentration zu stören, aber ich mache es immer. 

 

Können Sie uns ein wenig über die Pferde erzählen, um die Sie sich kümmern? Welche Eigenschaften haben sie?

Unser ganz besonderes Pferd ist Don Juan van de Donkhoeve, mit dem Jessica bei den Olympischen Spielen angetreten ist. Ich habe eine unglaublich starke Beziehung zu ihm. Man verbringt so viel Zeit mit seinen Meisterschaftspferden, dass man sie auf ganz andere Art und Weise kennenlernt. Ich glaube, als Pfleger sagt man sich immer, dass man eine ganz besondere Beziehung zu seinem Pferd hat, aber ich weiß einfach, dass es bei uns so ist. Wenn ich zum Beispiel den Stall betrete, wiehert er mich an. Das macht er bei anderen nicht. Er ist mir sehr wichtig und ich werde sehr emotional, wenn es um ihn geht. Er ist ein Hengst, aber der netteste Hengst, mit dem ich je zu tun hatte. 

 

Ich filme immer alle Turniere, selbst wenn es einen Livestream gibt oder man die Videos kaufen kann. Das ist wohl auch so ein Aberglaube von mir. Wenn jemand anders filmt, weiß ich nicht, was ich mit meinen Händen anfangen soll. Ich muss einfach ein Handy in der Hand haben. Wenn ich Don [Juan van de Donkhoeve] filme, murmele ich immer vor mich hin: „Du kannst das!“. 

 

Hungry Heart ist ein anderes unserer Spitzenpferde. Er tritt in den 5-Sterne-Turnieren an. Er ist 12 und hat den ausgeprägtesten Charakter von allen Pferden im Stall. Er ist wie ein Hund. Man kann richtig mit ihm spielen. Ich mache immer Witze darüber, dass ich ihm sogar „Sitz!“ beibringen könnte, wenn ich wollte. Er ist ein sehr lustiges Pferd. Wir haben noch ein paar andere sehr vielversprechende jüngere Pferde und ich glaube, für die Zukunft sind wir gut aufgestellt. 

 

Wie stellen Sie sicher, dass die Pferde zu den wichtigen Terminen im Jahr in Bestform sind?

Wir versuchen, von einem bestimmten Turnier oder Ziel aus rückwärts zu arbeiten, um sicherzustellen, dass wir den bestmöglichen Zeitplan für das jeweilige Pferd erstellen können. Wenn wir wissen, dass ein Pferd in der zweiten Wettkampfwoche besser springt, planen wir, dass es zwei Wochen hintereinander antritt. 

 

Als Pflegerin versuche ich, den Tagesablauf der Pferde möglichst genauso zu gestalten wie zu Hause, weil ich glaube, dass sich ein Pferd dann wohler fühlt. Bei den größeren Turnieren setzen wir natürlich verstärkt Hilfsmittel wie Massagedecken ein, aber ich versuche, alles so simpel wie möglich zu halten und sie einfach nur Pferd sein zu lassen. 

 

Jessica hat im Rolex Grand Prix beim CHI Genf unglaublich gut abgeschnitten. Wie hat sich das für Sie als Team angefühlt?

Der CHI Genf ist eine ganz besondere Veranstaltung. Er ist mein Lieblings-Hallenturnier und ich würde behaupten, auch Jessicas. Wahrscheinlich würden die meisten in unserer Branche dasselbe sagen. Bei einem so berühmten und angesehenen Grand Prix so gut abzuschneiden, war ein Traum, auf den wir lange hingearbeitet haben. Wir waren vor dem CHI Genf auf einigen anderen Turnieren und er [Don Juan van de Donkhoeve] war wirklich gut in Form. Ich glaube, wir haben uns selbst sehr unter Druck gesetzt, aber das Jahr 2023 und die Saison in Europa mit diesem Ergebnis abzuschließen, war einfach unglaublich. Als wir das letzte Mal beim CHI Genf waren, ist uns beim Rolex Grand Prix ein kleiner Fehler unterlaufen. Deswegen hat es sich dieses Jahr so angefühlt, als hätten wir das wiedergutgemacht. 

 

Der Rolex Grand Slam of Show Jumping feiert sein zehnjähriges Bestehen. Wie stark hat er diesen Sport Ihrer Meinung nach beeinflusst?

Er hat einen unglaublich großen Einfluss auf den Sport. Er ist DAS Ziel, das jeder Reiter anstrebt. Natürlich ist es fantastisch, ein Major zu gewinnen und Anwärter auf den Rolex Grand Slam of Show Jumping zu werden, aber ich finde, es ist ein Riesenprivileg für die Reiter, überhaupt an diesen Turnieren teilzunehmen – immerhin sind es die prestigeträchtigsten Events der Welt. Bei einer Veranstaltung wie dem CHIO Aachen oder dem The Dutch Masters anzutreten oder überhaupt auch nur dort zu sein, ist etwas ganz Besonderes. 

 

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die Majors wie der CHIO Aachen für den Sport?

Ich finde, sie erhöhen die Bekanntheit des Sports enorm. Es ist immer toll, Sport auf Spitzenniveau zu erleben, und genau das bieten die Majors. Sie bieten die Chance, mehr als eine normale Prüfung zu gewinnen, wie zum Beispiel den Rolex Grand Slam of Show Jumping. Ich glaube, selbst jemand, der kein Reitsportfan ist, würde so einen Wettkampf spannend finden. 

 

Vergangenes Jahr haben Sie Ihr eigenes Unternehmen Yeehaw ins Leben gerufen, um ein Netzwerk für Pfleger und Reiter zu erschaffen. Was hat Sie dazu inspiriert? 

Es gab mehrere Aspekte, die mich zur Gründung des Unternehmens inspiriert haben. Ein Grund war, dass mich so viele Leute gefragt haben (und noch immer fragen), wie man gute Mitarbeiter und gute Jobs findet. Es gibt so viele gute Pfleger und Arbeitgeber, aber es ist schwierig, sie zusammenzubringen. 

 

Ich wollte eine Plattform kreieren, auf der jeder die verfügbaren Angebote einsehen kann. Es ist nicht schwer, in diese Branche einzusteigen, weil es so viele Jobs gibt, aber es ist schwer, die richtige Stelle für sich zu finden. Wenn man nicht die richtigen Leute kannte, gab es bisher keine wirklich offizielle Stelle, an der man nach einem Job suchen konnte.

 

Ich wollte eine Möglichkeit für Pfleger und Reiter erschaffen, einander zu finden. Ein weiteres Ziel war es, zu versuchen, den Standard für Pfleger in unserer Branche anzuheben, um bessere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Ich glaube, wenn man eine gute Stelle als Pfleger hat, will man diese Arbeit bis an sein Lebensende ausüben. Aber wenn man bei seinem ersten Job nicht gut behandelt wird, kann das sehr schnell dazu führen, dass man das Interesse an dieser Arbeit verliert, auch wenn man sehr gut darin ist. Ich will einfach nur dafür sorgen, dass die Menschen die bestmöglichen Jobs bekommen, denn für mich ist das die beste Arbeit, die man überhaupt haben kann. 

 

Wenn Sie einem angehenden Pfleger etwas mit auf den Weg geben könnten, was wäre das?

Ich würde ihm oder ihr denselben Rat geben wie meinem jüngeren Ich: auf die erfahreneren Pfleger zu hören und von ihnen zu lernen. Und dass man keine Angst haben soll. Viele Menschen sind zwar zufrieden mit ihrer Arbeit, aber nicht so glücklich, wie sie es sein könnten. Natürlich macht es einem Angst, etwas Neues zu probieren und eine große Veränderung in seinem Leben zuzulassen, aber es ist unheimlich wichtig, den richtigen Ort für sich zu finden. Außerdem muss man Pferde lieben. Als Pfleger hat man so lange Arbeitszeiten und muss so viel reisen, aber wenn man Pferde liebt, ist es der beste Job auf der Welt.

INTERVIEW MIT JOSEPH UND MARK STOCKDALE

(Photo: YRA) | (Photo: Nelson Chenault) (Photo: YRA) | (Photo: Nelson Chenault)

Die Brüder Joseph und Mark Stockdale sind beides aufstrebende Stars in ihrem jeweiligen Sport – Joseph im Springreiten und Mark im Golf.

Sie treten ein großes sportliches Erbe an, denn ihr verstorbener Vater, Tim Stockdale, vertrat Großbritannien bei den Olympischen Spielen 2008 im Springreiten.

 

Können Sie sich bitte beide kurz vorstellen und uns jeweils ein bisschen über Ihre bisherige Karriere erzählen?

[Joseph Stockdale]: Ich heiße Joseph Stockdale. Ich bin 24 Jahre alt, komme aus Northampton und bin internationaler Springreiter. 2022 habe ich zusammen mit dem britischen Team die Bronzemedaille bei der FEI-Weltmeisterschaft in Herning gewonnen und hoffe, in diesem Sommer an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilnehmen zu können. 

 

[Mark Stockdale]: Ich bin Mark Stockdale. Ich bin 19 Jahre alt und komme auch aus Northampton. Zurzeit bin ich in der Golfmannschaft der Herren an der University of Central Arkansas sowie in der englischen Golfmannschaft der Herren. Ich möchte Profi-Golfspieler werden und stehe derzeit auf Platz 320 der Weltrangliste.  

 

Was haben Sie aus Ihrer jeweiligen Sportart gelernt – worin bestehen Ähnlichkeiten und Unterschiede? 

[Joseph Stockdale]: Ich glaube, die Ähnlichkeit besteht in dem hohen mentalen Anspruch. Mark ist auch schon geritten und ich spiele auch gern Golf. Vor allem auf Spitzenniveau ist es im Sport extrem schwierig. Mit den Pferden gibt es so viele Aufs und Abs – es ist eine richtige mentale Achterbahnfahrt. Aus meiner Perspektive als Golfamateur ist es ein Spiel, bei dem man gegen sich selbst kämpft. Beim Springreiten ist es beinahe ein Glück, dass wir auch von anderen Faktoren umgeben sind, zum Beispiel von Pferden. Golf ist ein sehr individuelles Spiel und man kann eigentlich nur sich selbst die Schuld geben, wenn etwas nicht klappt. Ich glaube daher, dass mentale Stärke eines der wichtigsten Dinge ist, die man von beiden Sportarten lernen kann.

 

[Mark Stockdale]: Dem würde ich zustimmen. Ich würde sagen, Geduld zu bewahren und auf die viele Arbeit zu vertrauen, die man hineingesteckt hat. Diese Dinge brauchen Zeit und man muss schon sehr zäh und belastbar sein, um an die Spitze zu gelangen. Die beiden Sportarten sind sehr verschieden und haben gleichzeitig viele Gemeinsamkeiten. Man muss sehr viel Geduld haben. Man wird nicht über Nacht die Nummer eins der Welt. Man muss Tag für Tag daran arbeiten. 

 

[Joseph Stockdale]: Ich finde, im Grund geht es bei jedem Sport auf Spitzenniveau nicht unbedingt darum, was man tut oder was man erreicht, sondern um die mentale Seite des Ganzen und die Einstellung, mit der man an seine Performance herangeht. Ich finde, in der Hinsicht kann man die beiden Sportarten miteinander vergleichen, auch wenn sie völlig verschiedenen sind.  

 

Lässt sich Ihrer Meinung nach die Beziehung zwischen einem Caddy und einem Golfer mit der zwischen einem Pfleger und einem Reiter vergleichen?

[Mark Stockdale]:  Ich finde, da gibt es auf jeden Fall Parallelen. Es muss ein Vertrauensverhältnis bestehen. Joe muss bei Charlotte [seiner Turnierpflegerin] darauf vertrauen können, dass die Pferde so gut wie nur möglich auf ein Turnier vorbereitet und in Bestform sind. Genauso muss ich bei meinem Caddy darauf vertrauen können, dass wir beide mit derselben Einstellung und demselben Ziel auf den Platz gehen. Wenn wir über bestimmte Aspekte einer Runde sprechen, müssen wir auf derselben Wellenlänge sein. Wir können uns nicht herumstreiten. Aber wenn Joe in die Arena einreitet oder ich den Abschlag mache, sind der Pfleger oder Caddy letztendlich nicht mehr Teil der Gleichung. Sie haben ihren Teil erledigt und es liegt an uns selbst, in diesem Augenblick Leistung zu erbringen.

 

[Joseph Stockdale]: Ich finde, die beiden Sportarten haben eine große Gemeinsamkeit. Wie Mark schon gesagt hat, ist Vertrauen das A und O. Es nimmt einem so eine große Last von den Schultern, wenn man weiß, dass jemand hinter einem steht, dem man vertrauen kann, dass er einen dahin bringt, wo man hinwill. Es ist so wichtig, jemanden zu haben, mit dem man sich austauschen kann. Wenn Mark zum Beispiel seinen Caddy fragt: „Wie findest du diesen Schlag?“, und der Caddy dazu „Tolle Idee“ sagt, verleiht einem das einen Hauch mehr Selbstvertrauen. Bei mir ist es das Gleiche, wenn ich beim Warm-up mit Charlotte zusammen bin und sie frage: „Wie war der letzte Sprung?“, und sie sagt, dass der Sprung perfekt war. Auch wenn es eine rein mentale Sache für uns ist, verleiht es uns ein zusätzliches Selbstvertrauen in unsere Herangehensweise und in das, was wir tun. Es stärkt einen mental und gibt einem Rückendeckung, bevor man in den Parcours einreitet oder einen Schlag ausführt.   

 

Können Sie uns etwas über Ihr Team erzählen? Wie wichtig ist es für Ihren Erfolgt? 

[Joseph Stockdale]: Ich habe ein großartiges Team. Zu meinem Team zählen sehr viele Menschen. Nicht nur diejenigen, die täglich auf dem Hof arbeiten, sondern auch die Tierärzte, Hufschmiede, Physiotherapeuten und noch viele mehr. Wenn man sich vor Augen führt, wie breitgefächert mein Team ist, gibt es ziemlich viele Menschen, die das alles ermöglichen. Ich habe in letzter Zeit jede Menge Bücher über Sportpsychologie gelesen und über Radfahrer, die von einer 1-prozentigen Verbesserung sprechen. Ein Team kann einen so sehr pushen – wenn man sich in jedem Bereich um 1 Prozent verbessert, kann das insgesamt einen gewaltigen Unterschied machen. Genau darauf zielen wir ab – dass sich jeder darum bemüht, um dieses eine Prozent besser zu werden. Ich muss sagen, dass das Team und die Menschen um mich herum einfach unglaublich sind. Sie geben bei ihrer Arbeit jeden Tag 110 Prozent und dafür kann ich ihnen gar nicht genug danken. Ohne sie wäre ich heute nicht dort, wo ich bin.

 

[Mark Stockdale]: Ich würde dasselbe sagen. Ich wäre ohne diese Menschen – ob nun meine Familie oder andere – nicht dort, wo ich heute bin. Was meinen Golfsport angeht – das war völliges Neuland für meine Familie. Wir erleben also alles gemeinsam und es ist ein fortwährender Lernprozess. Es hat jede Menge schwere Zeiten gegeben und das ist etwas, über das man reden und woraus man lernen muss. Das war also ein wesentlicher Faktor. Ich bekomme auch wahnsinnig viel Unterstützung von der Universität. Heute treffe ich mich beispielsweise mit meinen Trainern, damit ich körperlich in Bestform fürs Spiel bin. Darüber hinaus hilft mir der Verband dabei, bei den besten Turnieren antreten und auf höchstmöglichem Niveau spielen zu können. Und wenn ich an die Hersteller meiner Golfschläger denke, gibt es auch dort eine lange Liste von Menschen, ohne die ich heute nicht dort wäre, wo ich bin. 

 

Können Sie erläutern, wie wichtig Majors – wie der CHIO Aachen im Springreiten und das The Masters im Golf – nicht nur für Ihre jeweilige Sportart selbst, sondern auch für deren öffentliches Image sind? 

[Joseph Stockdale]: Das sind in einer Sportart die Veranstaltungen, bei denen man einfach dabei sein muss. Wenn wir Springreiter von einem Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping sprechen, wie dem CHIO Aachen oder dem The Dutch Masters, dann sind das für uns die besten Turniere der Welt. Es sind so große, spektakuläre Veranstaltungen.

 

Bestes Beispiel dafür: Wenn ich Freunden, die nichts mit dem Reitsport zu tun haben, von verschiedenen Turnieren erzähle, wissen sie nichts damit anzufangen, aber wenn ich sage, dass ich zu einem Major des Rolex Grand Slam of Show Jumping fahre, wissen sie sofort, worum es geht und sind sehr beeindruckt. Das ist das Prestige, das Rolex mit diesen Turnieren erschaffen hat. 

 

Für uns Reiter sind es die allergrößten der größten Turniere, sie bieten die höchsten Preisgelder und sind die Prüfungen, die jeder unbedingt gewinnen will. Dort bekommt man Sport auf Spitzenniveau zu sehen. 

 

[Mark Stockdale]: Im Golf ist es dasselbe. Die Menschen hören den Begriff The Masters und wissen sofort, wie viel Prestige und Geschichte damit verbunden sind. Sie kennen sogar die Namen von Gewinnern des Turniers, selbst wenn sie selbst gar nicht Golf spielen, und sie wissen, was das „Grüne Jackett“ ist. Ich glaube, die Majors bringen Menschen zusammen, die sich vielleicht ansonsten gar nicht groß für den Sport interessieren. Aber sie erkennen das Prestige und ich finde, dass das unglaublich wichtig für den Sport ist. 

 

Der Rolex Grand Slam of Show Jumping bietet auch Nachwuchsreitern eine Chance. Wie wichtig ist es, der nächsten Generation Gelegenheit zu bieten, gegen die Besten der Welt anzutreten? 

[Joseph Stockdale]: Ich glaube, genau das hilft einem dabei, die nächste Stufe zu erreichen. Wenn man einfach nur bei normalen 5-Sterne-Turnieren antritt, ist die Konkurrenz nicht so stark wie bei den Majors des Rolex Grand Slam, die Hindernisse sind nicht ganz so anspruchsvoll und die Parcours nicht ganz so technisch. Wenn man also als Nachwuchsreiter zum ersten Mal in einem Major antritt, ist da so, als würde man ins kalte Wasser geworfen. 

 

Ich glaube, die größte Lernerfahrung sammelt man, wenn man sich leicht außerhalb seiner Komfortzone befindet. Als ich zum ersten Mal beim CHI Genf war, war ich absolut begeistert – es war ein unbeschreibliches Erlebnis. Man ist dort zusammen mit den Besten der Welt. Es gibt keinen einzigen Spitzenreiter, der nicht dort ist, und alle haben ihre besten Pferde dabei und alle wollen gewinnen. Die Stechen in den Prüfungen sind sensationell – so etwas bekommt man bei anderen Turnieren einfach nicht zu sehen. Man sieht in einem ganzen Turniermonat vielleicht mal EINEN grandiosen Ritt, aber beim Rolex Grand Prix beim CHI Genf 2022 haben wir gleich fünf Reiter hintereinander erlebt, die Spitzenzeiten geritten sind, und bei jedem dachte man, diese Zeit wäre nicht mehr zu überbieten. Bis dann der nächste kam. Das war das Nonplusultra des besten Sports, nicht nur für die Zuschauer, sondern auch als Lernerfahrung für mich. Ich habe so viel daraus gelernt. Als Nachwuchsreiter eine solche Gelegenheit zu bekommen, war enorm wertvoll, und es ist den Majors hoch anzurechnen, dass sie jungen Reitern diese Chance bieten. Ich bin mir nicht sicher, wo ich jetzt stehen würde, wenn ich diese Chancen nicht bekommen hätte. Dadurch habe ich mich so verbessert.  

 

Sie sind ja in einer Reiterfamilie aufgewachsen. Was hat Ihre Golfleidenschaft geweckt und glauben Sie, dass Sie in Ihrem von Pferden dominierten Umfeld etwas gelernt haben, das Sie in Ihre Golfkarriere einfließen lassen?

[Mark Stockdale]: Ich habe einfach so nebenher mit dem Golfspielen angefangen. Mein Vater fing damit an und Joe hat zusammen mit ihm Stunden genommen, und so sind die beiden immer am Wochenende spielen gegangen, wenn er [mein Vater] von den Turnieren zurück war. Ich wollte es auch lernen, damit ich Zeit mit ihnen verbringen konnte. Also bekam ich ein paar Stunden und das hat sofort meinen Wettkampfgeist geweckt. Ich musste einfach üben, um besser als sie zu sein und sie zu schlagen. Ich habe es ziemlich schnell gelernt und dann angefangen, Turniere zu bestreiten. Dabei habe ich mich in den Prozess verliebt, dass man trainiert und dadurch immer besser wird. Ich finde, es ist eine dieser extrem herausfordernden Sportarten – man glaubt, man hat den Bogen raus und am nächsten Tag ist alles wieder weg. Das endlose Streben danach, besser zu werden, ist das, was ich so daran liebe. 

 

Von meiner Familie habe ich gelernt, dass man keinen Tag Pause machen darf. Man muss jeden Tag reiten, man kann ein Pferd nicht einfach im Stall stehen lassen. Man muss ständig arbeiten. Wenn mein Vater und Joe geritten sind, bin ich auf den Golfplatz gegangen und habe trainiert. Das ist der Hauptaspekt, den ich gelernt habe. Aber man muss auch viel Durchhaltevermögen haben. Es wird nämlich auch schwierige Zeiten geben. Aber wenn man sein Ziel im Auge behält und jeden Tag daran arbeitet, erreicht man es irgendwann. 

 

Sie treten ein großes sportliches Erbe an, denn ihr Vater war ja bei den Olympischen Spielen dabei. Was haben Sie von ihm gelernt?

[Mark Stockdale]: Ich habe so viel von ihm gelernt. Ich denke täglich an die Dinge, die er mir beigebracht hat. Schon allein, wie er mit Menschen umgegangen ist. Ob mit den Kindern, die ein Autogramm von ihm wollten, oder wie er sich mit Menschen unterhalten hat. Wenn er auf Turnieren unterwegs war, hat ihn immer jeder gekannt und auch er kannte jeden beim Namen. Ich habe von ihm gelernt, dass man Beziehungen zu anderen Menschen knüpfen muss, um ihren Respekt zu gewinnen. Er war so engagiert und hat so hart gearbeitet. Für mich ist das einfach der Grundsatz dessen, wie man sein sollte. Man muss sich zu 100 Prozent für das engagieren, was man tun möchte, darf kein Nein als Antwort akzeptieren und muss wirklich dafür kämpfen. 

 

[Joseph Stockdale]: Das sehe ich genauso wie Mark. Er war so hartnäckig und dickköpfig. Wenn es mal nicht richtig lief oder er mal nicht gewonnen hat, hat er sich nie runterziehen lassen, sondern sich noch mehr reingehängt. Er hat immer so hart gearbeitet, wie er nur konnte, um irgendwie wieder auf Siegeskurs zu gelangen. Er war so dickköpfig. Wenn etwas nicht funktioniert hat, hat er alles dafür getan, es zum Funktionieren zu bringen und einen Weg zu finden, mit dem gewünschten Ergebnis über die Ziellinie zu reiten. Wenn uns auch nur mal kurz der Gedanke ans Aufhören durch den Kopf schießt, hören wir immer seine Stimme im Hinterkopf, die uns sagt: „Man muss am Ball bleiben und versuchen, einen Weg zu finden.“ Er ist eine große Motivation für uns beide. 

 

Wenn Sie eins der Majors gewinnen könnten, welches wäre das und warum?

[Joseph Stockdale]: Bei mir wäre das der Rolex Grand Prix beim CHIO Aachen. Das ist ein so besonderer Grand Prix, er geht über mehrere Runden und jeder spricht darüber, wie imposant und schwierig er ist. Der CHIO Aachen hat eine so fantastische Grasarena und ist ein so geschichtsträchtiger Veranstaltungsort. Es wäre ein Traum, dort zu gewinnen. Beim Golf würde ich mich für The Masters entscheiden. Das „Grüne Jackett“ zu gewinnen und auf dem Platz in Augusta zu spielen, wäre phänomenal. 

 

[Mark Stockdale]: Ich würde auch The Masters sagen. Näher kann man der Perfektion beim Golf nicht kommen. Die samtig-grünen Fairways sind perfekt getrimmt. In einem nicht-perfekten Sport kommt dieses Turnier der Perfektion am nächsten und besitzt ein unglaubliches Image. Zuzusehen, wie die Spieler am Ende das „Grüne Jackett“ anziehen – genau das war in meiner Kindheit und Jugend für mich der Inbegriff vom Golf.